In der Presse 2020

Bei der Essensausgabe der Armenküche am Burgplatz wird aktuell auf Abstand geachtet.

Foto: Bretz, Andreas (abr)
Düsseldorf

Die Werstener Gemeinde hält die Lebensmittelausgabe mit hauptamtlichen Kräften aufrecht, in die Armenküche am Burgplatz kommen deutlich mehr Bedürftige. Menschen spenden an die Bürgerstiftung fast 100.000 Euro.
Von Jörg Janssen, Andrea Röhrig und Uwe-Jens Ruhnau
Nicht nur eine Papiertüte mit Nudeln, Käse und Brot bekommt Heike B. bei der Lebensmittelausgabe der Seelsorgeeinheit Düsseldorfer Rheinbogen in Wersten übergeben, sondern auch ein Frühlingsblümchen dazu. Der Topf mit den blauen Stiefmütterchen rührt die Werstenerin zu Tränen. Sie bedankt sich bei Gemeindereferentin Bettina Winkel, Kantorin Pamela König und Pastoralreferent Martin Kürble.
Die drei hauptamtlich bei der Gemeinde Beschäftigten halten bei der Lebensmittelausgabe an Bedürftige derzeit für ihre drei Ehrenamtler, die das sonst alleine koordinieren, die Stellung. Die Blümchen konnten aus einer Geldspende der KakaJu finanziert werden. „Die Karnevalsfreunde der katholischen Jugend fanden es so toll, dass wir die Lebensmittelausgabe weiter aufhalten wollen“, sagt Kürble.
Auch in den Zeiten von Corona sollen sich jeden Dienstag von 14.30 bis 17 Uhr Bedürftige am Gemeindehaus an der Burscheider Straße Lebensmittel abholen können. Heike B. ist das erste Mal da: „Es wird für mich immer schwieriger, überhaupt noch was zu bekommen“, sagt sie.
Die hauptamtlichen Mitarbeiter Bettina Winkel und Martin Kürble sind bei der Lebensmittelausgabe eingesprungen. Foto: Bretz, Andreas (abr)
Kurz vor ihr war ein Mann da, der eine fünfköpfige Familie versorgen muss. Er hat ebenfalls Tränen in den Augen, als Kürble ihm die vollgepackte Tüte übergibt. Der direkte Weg des Mannes führt in die gleich nebenan liegende Kirche St. Maria Rosenkranz, um sich zu bedanken, dass es Helfer wie Kürble, Winkel und König gibt. Denn für Menschen wie ihn ist es seit der Schließung der Düsseldorfer Tafeln noch schwieriger, Lebensmittel zu bekommen, um mit dem Wenigen an Rente, Grundsicherung oder Hartz IV über die Runden zu kommen.
50 Lebensmitteltüten haben Kürble und seine beiden Kolleginnen am Dienstag verteilt. Die drei Ehrenamtler, die die Lebensmittelausgabe ansonsten am Laufen halten, waren gestern schon wieder vor Ort, um zu sehen, ob für den nächsten Dienstag noch alles da ist. Da die Tüten vorgepackt sind und die Ausgabe an einem Tisch vor dem Gemeindehaus stattfindet, kommt es weder zu Schlangen noch zu einem intensiveren Kontakt.

An der Essensausgabe der Armenküche am Burgplatz können Bedürftige nur noch Essen außer Haus mitnehmen. Foto: Andreas Bretz. Foto: Bretz, Andreas (abr)
Deutlich mehr Menschen kommen in diesen Tagen auch zur Essensausgabe der Armenküche am Burgplatz. „In normalen Zeiten sind es zwischen 70 und 80, seit dieser Woche kommen doppelt so viele“, sagt Holger Kirchhöfer. Bis vor ein paar Tagen konnte der Sozialarbeiter den Bedürftigen Plätze in der Ausgabestelle anbieten: „In einer Art Schichtmodell konnten sich 17 oder 18 Gäste setzen und – unter Wahrung von Abstandsregeln – ihr Essen in Ruhe einnehmen.“ Das ist inzwischen anders. Zum einen lassen verschärfte Vorschriften das gar nicht mehr zu. „Und bei 170 Leuten funktioniert am Ende auch kein Schichtmodell mehr“, sagt Kirchhöfer.
Dienstag gab es Erbsensuppe, am Mittwoch Hähnchenschenkel mit Reis und Soße. „Wichtig ist, dass man das Gericht nur mit dem Löffel essen oder in die Hand nehmen kann“, sagt Kirchhöfer. In der Coronakrise hilft sein Team den Armen auch jenseits warmer Mahlzeiten. „Manche haben keinen gültigen Ausweis, weil im Moment vieles länger dauert, und können deshalb kein Konto eröffnen. In diesen Fällen wickeln wir das ganz pragmatisch über unser Konto ab“, sagt er.
Und seine Kollegin Marion Gathen betont noch mal, „dass es entgegen mancher Gerüchte wirklich keinerlei Pläne gibt, die Armenküche für eine bestimmte Zeit zu schließen. „Wir werden alle Bedürftigen auch weiter mit einer warmen Mahlzeit durch die Krise begleiten“, sagt die Mitarbeiterin.

Das kann Diakonie-Pfarrer Thorsten Nolting auch den Obdachlosen zusichern, die in den Tagesstätten Shelter, Horizont und Café pur jeden Mittag Lunch-Pakete abholen, die von einem Caterer zusammengestellt werden. „Das werden wir selbstverständlich aufrechterhalten“, sagt er. Und auch das ehrenamtliche Team des Gute-Nacht-Busses, eine Kooperation des Vereins „vision:teilen“ und Fiftyfifty, das an vier Abenden die Woche Obdachlose betreut, will weiter im Einsatz bleiben. Derzeit werden diese am Wagen vor allem mit Konserven versorgt. Zudem gibt es hier auch die Lunchpakete, berichtet Bruder Peter Amendt von „vision:teilen“. Die Ausgabe von Unterwäsche, Decken oder Schlafsäcken ist wegen Corona aktuell auf ein Minimum reduziert.
Auch in Flingern sind viele Menschen, die knapp bei Kasse sind, froh darüber, dass der Lebensmittelladen des Vereins „Flingern Mobil“ weiter geöffnet bleibt. Die meisten, die hier einkaufen, sind Hartz-IV-Empfänger, eine ganze Reihe von ihnen sind von Altersarmut betroffen. „Wir sind froh, dass wir den Betrieb mit ein paar Einschränkungen aufrecht erhalten können“, sagt Diakon Klaus Kehrbusch: „Es kommt weniger frische Spendenware aus den Supermärkten, weil dort im Moment so viel verkauft wird.“ Hinzu komme, dass auch im Großhandel bestimmte Produkte wie Nudeln nur noch schwer zu bekommen seien. „Aber wir kriegen das alles hin“, sagt der Vereinschef.
Frühestens am 20. April nimmt die Düsseldorfer Tafel ihre Arbeit wieder auf. Die Bürgerstiftung Düsseldorf bat in der Rheinischen Post, den Armen, Alten und Obdachlosen zu helfen. Der eigene Topf mit 50.000 Euro war innerhalb von zwei Tagen leer. Das Geld ging an die Zentren plus, die bei der Finanzierung von Lieferdiensten für das Mittagessen von alten Menschen helfen, sowie Initiativen wie die Armenküche, Fiftyfifty oder die Franzfreunde. Auch werden Einkaufsgutscheine von Discountern an Bedürftige verteilt.
Der Aufruf hat zu einer außergewöhnlichen hohen Spendenbereitschaft geführt. In nur drei Tagen haben die Düsseldorfer fast 100.000 Euro an die Bürgerstiftung überwiesen. „Wir sind überwältigt“, freut sich Vorstandschefin Sabine Tüllmann, „diese Stadt ist unschlagbar. So werden wir diese Krise bewältigen.“ Es gebe viele Spenden über zehn oder 15 Euro, aber auch solche über 10.000 Euro. Bis zu den Sommerferien komme man mit dem Geld vermutlich hin, hofft Tüllmann. Es soll aber weiter gesammelt werden, der Spendenaufruf bleibt bestehen. Die Grenze von 100.000 Euro wolle man auf jeden Fall knacken.
https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/coronavirus-duesseldorf-so-wird-beduerftigen-in-corona-zeiten-geholfen_aid-49707367

Spen­de – Der Mit­ar­bei­ter­ver­ein des Düs­sel­dor­fer Ver­si­che­rers Er­go (er­go: wir hel­fen) hat der Ar­men­kü­che 2500 Eu­ro ge­spen­det. Das Un­ter­neh­men leg­te das Dop­pel­te drauf, um die Alt­stadt-Ar­men­kü­che zu un­ter­stüt­zen. Weil vie­le an­de­re Ein­rich­tun­gen ge­schlos­sen ha­ben, hat die Ar­men­kü­che der­zeit be­son­ders viel Zu­lauf.

Ar­men­kü­che ver­sorgt jetzt mehr Men­schen

2020 04 18 RP

RP-Fo­tos (2): Ruhnau
Ak­tiv für die Ar­men­kü­che (v.l.): So­zi­al­ar­bei­ter Hol­ger Kirch­hö­fer, Ge­org Rö­der (Ver­wal­tung), die Eh­ren­amt­ler Lu­kaan In­anc, Leo­nie Grü­ne­berg und Fe­lix Rö­der so­wie die haupt­amt­li­che Mit­ar­bei­te­rin Swant­je Po­sch­mann

Rund 200 Mahl­zei­ten gibt die Ein­rich­tung im Rat­haus der­zeit täg­lich aus. Die Kos­ten stei­gen we­gen des An­drangs.
Von Uwe-Jens Ruhnau

DÜS­SEL­DORF | Pa­ter Wolf­gang trägt ei­nen Mund­schutz, er nimmt es mit dem Ab­stand sehr ernst. „Bit­te noch zwei Schrit­te zu­rück“, sagt der Do­mi­ni­ka­ner zu den War­ten­den. „Hal­tet euch aus­ein­an­der, dann geht es sehr gut für al­le.“ Es ist 11.15 Uhr, vor dem Tor im Rat­haus­kom­plex hat sich be­reits ei­ne Schlan­ge ge­bil­det. Um 11.30 Uhr star­tet die Es­sens­aus­ga­be. Was Pa­ter Wolf­gang sagt, wird ge­macht. Der Got­tes­mann ist sym­pa­thisch, streng und lie­be­voll zu­gleich – und er ist der Chef der Ar­men­kü­che. „Mir ist vor der Zu­kunft ein biss­chen bang“, sagt er. Die Zahl der Men­schen, die ver­sorgt wer­den müs­sen, hat zu­ge­nom­men, die Kos­ten auch. Und weil die Wirt­schafts­kri­se schon be­gon­nen hat, macht der Geist­li­che sich Sor­gen um den Spen­den­fluss.
Heu­te gibt es ei­ne Reis­pfan­ne, wo­bei die­ses Wort in den meis­ten Köp­fen ein fal­sches Bild aus­lö­sen dürf­te. Die nicht all­zu gro­ße Kü­che ist gut aus­ge­stat­tet, an der Kipp­brat­pfan­ne ste­hen Swant­je Po­sch­mann und Ge­org Rö­der. Die bei­den sind beim Ver­ein Alt­stadt Ar­men­kü­che fest an­ge­stellt. Die Pfan­ne hat die Aus­deh­nung ei­nes ve­ri­ta­blen Küch­ten­ti­sches und fasst 100 Li­ter, wohl­rie­chend damp­fen dar­in Reis, Pu­ten­ge­schnet­zel­tes und Ge­mü­se. „Das ist ein biss­chen asia­tisch zu­be­rei­tet, das es­sen die Leu­te ger­ne“, sagt Swant­je Po­sch­mann.
100 Li­ter, das macht 200 Por­tio­nen, die in ver­schlos­se­nen Schäl­chen ab­ge­ge­ben wer­den. „Die Ta­feln ha­ben we­gen der Co­ro­na-Kri­se fast al­le ge­schlos­sen, wir ge­ben jetzt dop­pelt so vie­le Por­tio­nen aus wie sonst“, sagt Pa­ter Wolf­gang. Die Es­sens­aus­ga­be be­ginnt ei­ne Stun­de frü­her. Ar­me Men­schen, das sind nicht nur Woh­nungs­lo­se. Man­che kön­nen den Strom nicht mehr be­zah­len, er­zählt der Do­mi­ni­ka­ner, am Mo­nats­en­de kom­men re­gel­mä­ßig mehr Gäs­te. Ei­ni­ge ha­ben mit ei­ner be­gin­nen­den De­menz zu kämp­fen. Sie al­le sind will­kom­men.
In der Tü­te be­fin­den sich ne­ben der Haupt­mahl­zeit ei­ne Ser­vi­et­te, Be­steck und ein Nach­tisch, heu­te ist das ein Scho­ko-Pud­ding. Wer möch­te, er­hält auch ein Stück Brot. Die lan­ge Tor­ein­fahrt, die auf den Rat­hau­sin­nen­hof führt, ist durch meh­re­re Holz­bän­ke in zwei Hälf­ten ge­teilt. Auf der ei­nen Sei­te ge­hen die Men­schen hin­ein, er­hal­ten am En­de der letz­ten Bank ih­re Es­sen­stü­te und ge­hen auf der an­de­ren Sei­te wie­der zu­rück und auf die Markt­stra­ße. Sie pas­sie­ren noch ei­nen Ex­tra-Tisch, an dem sie sich be­die­nen kön­nen. Dar­auf ste­hen in Kis­ten Spen­den: Scho­ko­la­de von Lindt, Tü­ten M&Ms, Smoot­hies und so­gar Le­cker­li für Hun­de. Ei­ni­ge Woh­nungs­lo­se hal­ten Vier­bei­ner und küm­mern sich lie­be­voll um sie, die Be­zie­hung mil­dert die Ein­sam­keit und stärkt die so­zia­le Kom­pe­tenz. Wer möch­te, be­kommt zu­dem Tee oder Was­ser mit auf den Weg.
Ge­ar­bei­tet wird in vier Teams, rund 60 Eh­ren­amt­ler hel­fen und kön­nen re­gel­mä­ßig ein­ge­plant wer­den. An­ge­schlos­sen an die Ar­men­kü­che sind auch drei Street­wor­ker von „Axept“, die von der Stadt be­zahlt wer­den. Sie fah­ren zur­zeit mor­gens durch Düs­sel­dorf und ver­sor­gen die Woh­nungs­lo­sen mit Früh­stück­s­tü­ten. Or­ga­ni­siert hat die­ses zu­sätz­li­che An­ge­bot Mi­ri­am Koch vom Amt für In­te­gra­ti­on.
Die Ar­men­kü­che ist in den Au­gen von Pa­ter Wolf­gang bun­des­weit ein­ma­lig. „Ich weiß von kei­nem an­de­ren Ob­dach­lo­sen­pro­jekt, das di­rekt im Rat­haus un­ter­ge­bracht ist.“ Als der Do­mi­ni­ka­ner 1992 die Ar­men­kü­che grün­de­te, gab es die Aus­ga­be zu­erst bei den Ur­su­li­nen. Als die Räu­me nach we­ni­gen Mo­na­ten für das Ur­su­li­nen-Gym­na­si­um be­nö­tigt wur­den, gab der Haus­meis­ter des Rat­hau­ses den ent­schei­den­den Tipp. Wenn das Aus­län­der­amt um­zie­he, wür­den doch die Räu­me an der Tor­ein­fahrt frei, ver­riet er den Do­mi­ni­ka­nern. Der Äl­tes­ten­rat konn­te über­zeugt wer­den, und seit­dem hat die tä­ti­ge Nächs­ten­lie­be miet­frei ih­ren Sitz dort, wo über das Wohl der Stadt ent­schie­den wird.
Die Ar­men­kü­che hilft und be­schützt, der re­spekt­vol­le Ton fällt beim Be­such gleich auf. Sie wird selbst auch be­schützt. Kurz vor dem Start der Es­sens­aus­ga­be schaut ein Be­am­ter der Alt­stadt­wa­che vor­bei. Ob denn al­les in Ord­nung ist, ob Un­ter­stüt­zung be­nö­tigt wird? Die Fra­ge wird mehr­fach am Tag ge­stellt, auch ei­ne Strei­fe des städ­ti­schen Ord­nungs­diensts macht dort ei­nen Stopp. „Wir ha­ben hier ein tol­les Ver­hält­nis“, sagt Pa­ter Wolf­gang. Die Po­li­zis­ten ha­ben jüngst für die Ar­men­kü­che ge­sam­melt, ein drei­stel­li­ger Be­trag wur­de über­ge­ben.
Die Spen­den fi­nan­zie­ren die Ein­rich­tung. Drei Mit­ar­bei­ter für die Kü­che und zwei So­zi­al­ar­bei­ter sind zu be­zah­len, die Aus­ga­ben fürs Es­sen und Re­pa­ra­tu­ren kom­men hin­zu. Bis zu 400.000 Eu­ro müs­sen jähr­lich zu­sam­men­kom­men. Ein hal­bes Jahr gibt es jetzt ei­ne Un­ter­stüt­zung der Ak­ti­on Mensch, das freut den Geist­li­chen, aber es sind vor al­lem die vie­len klei­nen Spen­den, die das An­ge­bot seit Jah­ren er­hal­ten. „Ich ma­che mir Sor­gen, dass dies we­gen der Wirt­schafts­kri­se we­ni­ger wer­den könn­te“, sagt Pa­ter Wolf­gang.

In­fo
Bis auf Ro­sen­mon­tag im­mer ge­öff­net
Zei­ten Die Ar­men­kü­che hat täg­lich ge­öff­net. Ein­zi­ge Aus­nah­me: Ro­sen­mon­tag ist ge­schlos­sen. We­gen des An­drangs ist in der Co­ro­na-Kri­se ei­ne Stun­de län­ger, be­reits ab 11.30 Uhr, ge­öff­net.
Spen­den Wer der Ar­men­kü­che hel­fen will: Bei der Stadt­spar­kas­se gibt es ein Spen­den­kon­to. IBAN: DE56 3005 0110 0014 0109 53. Wei­te­re In­fos bei Ge­org Rö­der un­ter 0211 8628 769.

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