In der Presse 2018

Ta­schen­geld und Bil­der für Ob­dach­lo­se (RP, 12.3.2018)

(jj) Jun­gen und Mäd­chen der evan­ge­li­schen Mar­tin-Lu­ther-Schu­le an der Go­ten­stra­ße ha­ben Men­schen, die die Ar­men­kü­che in der Alt­stadt be­su­chen, Bil­der, selbst ver­fass­te Tex­te und ei­ne klei­ne Geld­spen­de in Hö­he von 35 Eu­ro über­reicht. Im Re­li­gi­ons­un­ter­richt der Klas­se 4a war die Fra­ge auf­ge­kom­men, wie die Ob­dach­lo­sen ei­gent­lich die jüngs­te Käl­te­wel­le über­ste­hen konn­ten. So­zi­al­ar­bei­te­rin Ma­ri­on Gather er­klär­te den Kin­dern, dass im­mer mehr Be­dürf­ti­ge in die Ein­rich­tung am Burg­platz kom­men. Die Spen­de fi­nan­zier­ten die Grund­schü­ler von ih­rem Ta­schen­geld.

In der Armenküche wird niemand ausgegrenzt (WZ, 23.2.2018)

Von Alexander Schulte

Darf es noch ein Schluck Wasser sein? Renate Klemm (li.) und Marion Gather kümmern sich auf dem Flur der Armenküche um Andreas.
Düsseldorf. In der Armenküche am Burgplatz ist die Nachbarstadt Essen mental weit weg. Man hat hier zur Kenntnis genommen, dass die dortige Tafel neuerdings nur noch Bedürftige mit deutschem Pass neu in ihre Kartei aufnimmt, weil der Anteil der Migranten auf drei Viertel hochgeschnellt sei. „Nein, so etwas gefällt mir nicht. Die Ausländer haben doch auch Hunger“, sagt Ralf, 50, Düsseldorfer und obdachlos.
Am Freitag kommen insgesamt etwa 70 Menschen zum Burgplatz für ein warmes Mittagessen, es gibt Spinat mit Kartoffeln und Rührei oder – noch vom Vortag – einen Möhreneintopf.
Normalerweise sind es im Schnitt fast 100, aber bei der Kälte finden weniger Bedürftige den Weg hinter das Rathaus. Futterneid mag es auch hier geben, und ab und zu wird er auch geäußert, berichtet Marion Gather, die als Sozialarbeiterin seit 24 Jahren in der Armenküche mitarbeitet: „Natürlich gibt es schon mal Probleme, aber die lassen sich doch alle in den Griff kriegen“, sagt sie, „und zwar ohne dass irgendeine Gruppe diskriminiert oder gar ausgeschlossen werden müsste.“
Das Klima am Burgplatz ist gastfreundlich, fast familiär
Sie und ihre ehrenamtlichen Kollegen schauen genau hin, ob sich irgendwo ein Konflikt zusammenbraut. Gather: „Wir sind nicht naiv, nicht alle Gäste sind oder werden Freunde. Aber jeder verdient Respekt. Und man kann Streit auch entschärfen, bevor er ausbricht.“ Wenn die Mitarbeiter zum Beispiel sehen, dass zwei Männer einander zu nah kommen könnten, die sich nicht leiden können, dann sorgen sie für Distanz zwischen ihnen.
Das Klima ist gastfreundlich, fast familiär. Man kennt sich. Im Gegensatz zu vielen Tafeln, wo die Menschen in einer Warteschlange an der Essensausgabe stehen, gibt es in der Armenküche einen engeren Kontakt zu den Gästen, fachliche Beratung inklusive.
Marion Gather blickt moralisch nicht auf die Kollegen der Essener Tafel hinab, „ich höre ja den Hilferuf, der hinter einer solchen Maßnahme steht“, sagt sie und meint damit: Es gibt wohl zu wenig Helfer und zu wenig Essen, aber: „Eine akzeptable Lösung ist es nicht, jetzt Ausländer nicht mehr zuzulassen – wehret solchen Anfängen.“
Wie immer kommen und essen die Gäste Freitagmittag am Rathaus in Etappen. Im Speiseraum sitzen knapp 20 Männer an den zwei Tischen, Punker, Alkoholiker, Senioren – welche Nationalität sie haben? Man sieht es ihnen nicht an. Fast zwei Drittel sind psychisch krank.
Die meisten sind noch eingepackt in ihre dicken Winterjacken. Sehr vernünftig ist das nicht, wenn sie gleich rausgehen, wird es umso kälter. Aber in der Armenküche macht man so wenig Vorschriften wie nötig. Vorne am Eingang ist ein kleiner Zweier-Tisch, da essen manchmal Paare zusammen. Oder Gäste, die nicht so eng zusammen sitzen können. Eine ältere Dame wartet alleine auf dem Flur. Neben ihr sitzt Andreas, 62. Er hat Verständnis für die Essener: „Ich kenne das ja aus Wuppertal – da treffen Sie bei der Tafel praktisch gar keine Deutschen mehr“, sagt er. Das darf er in der Armenküche so sehen. Nur dem Essener Beispiel folgen will hier niemand.
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